Praxisnachfolge: Start der eigenen Nachfolge planen (Teil 1)

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Viele Praxisinhaber tun sich schwer, rechtzeitig mit der Nachfolgeplanung zu beginnen. Dabei ist die Unternehmensnachfolge Teil des Lebenszyklus eines Unternehmens. Mit dem Start der Nachfolgeplanung beginnt die Suche nach geeigneten Nachfolgern.

Warum mit der Unternehmensnachfolge oft nur zögerlich gestartet wird

Aus Altersgründen die Praxis zu übergeben ist ein zwangsläufiger Prozess. Der Eigentümer ist irgendwann so alt, dass er die Praxis an andere übergeben möchte oder muss. Diesen Prozess macht der demografische Wandel mehr und mehr zu einer Herausforderung. Weniger Nachfolgende stehen bereit. Dies zeigt sich bereits und wird in den nächsten Jahren noch verstärkt.

Eine der wichtigsten Empfehlungen ist, sich rechtzeitig – ab der Lebensmitte (etwa mit 50 Jahren) – um seine Nachfolge zu kümmern. Alle Experten im Bereich Nachfolge raten dies Unternehmern. Instinktiv wissen es auch die meisten Unternehmer, und trotzdem gehen sie ihre Nachfolge nicht an. Befürchten Sie mit der letzten wichtigen und einmaligen Entscheidung ein Scheitern? Was macht die Nachfolge so schwierig? Was sind die Gründe des immer wieder Aufschiebens?

Emotionale und psychologische Aspekte spielen sicher eine wesentliche und oft unterschätzte Rolle. Sie sind verbunden mit Angst vor dem Alter, dem Verlust an Anerkennung und Bedeutung und mit der Sorge, Entscheidungen zu treffen, die weit über das eigene Schaffen hinaus reichen. Vielen fällt das Loslassen des eigenen Lebenswerks schwer, vor allem ohne eine persönliche Perspektive nach der Übergabe. Motiviert und sinnerfüllt die frei werdende Zeit aufs Neue zu füllen, kommt vielen nicht in den Sinn. Sie sind ja durch ihre Praxis bereits erfüllt. Wozu auch, wenn die Praxis der Lebenssinn schlechthin ist? Für die meisten Unternehmer steht ihr Unternehmen an Nummer 1, dann erst folgen Familie und Partnerschaft.

Enge Verbindung von Familie und Praxis als mögliches Risiko bei der Nachfolge

Bedeutet das Ende der Praxis auch das Ende der Familie? Die Systeme Familie und Unternehmen sind eng verknüpft. Der Erfolg des einen bedeutet auch den Erfolg des anderen. In Familienunternehmen ist die Identifikation gross, damit verbunden sind eine Zugehörigkeit und ein Status innerhalb der Gesellschaft.

Das Hinauszögern der Nachfolgeregelung ist verständlich, wenn das Unternehmen die Familie zusammengehalten hat. Über Jahrzehnte sind die beiden Systeme Familie und Unternehmen miteinander gewachsen und geben sich damit eine Art von Sicherheit untereinander. Sich einzugestehen, dass die Praxis womöglich nicht mehr zukunftsfähig ist, erfordert eine ehrliche Auseinandersetzung und Bilanzierung des Lebenswerks. Menschen und Markt sind ständigen Veränderungen ausgesetzt. Wird die künftige Unternehmensstrategie nicht den jeweiligen Markterfordernissen angepasst, sondern vor an den Bedürfnissen der Familienmitglieder, kann es die Existenz des Unternehmens gefährden.

Die Nachfolge kann trotz unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse beider Systeme – Familie und Unternehmen – gelingen. Mit externer, begleitender Unterstützung kann die Nachfolge gesichert werden, insbesondere bei emotional aufgeladenen Verstrickungen zwischen Familie und Unternehmen. Wenn der Generationenwechsel bevorsteht, muss man sich nicht auf sein Glück verlassen nach dem Motto »wird schon klappen«. Auch muss man sich nicht darauf verlassen, dass der Übergebende familienintern ein Machtwort spricht, wer künftig die Praxis leiten soll.

Die Stilllegung von Familienunternehmen ist statistisch gesehen höher, als dass sie über die zweite oder dritte Generation fortbestehen. Nur etwa zehn Prozent der Familienunternehmen erreichen die dritte und etwa fünfProzent die vierte Generation. Nur rund ein Prozent schafft es über die fünfte Generation hinaus.

Risiko durch starke operative Abhängigkeit

Der Gründer übernimmt mit der Unternehmensgründung eine weitreichende Verantwortung. Wie diese Verantwortung im Unternehmen gelebt und die Unternehmensleitung geführt wird, entscheidet über den Fortbestand des Unternehmens in der Zukunft, wenn es um die Nachfolgeregelung geht. Dass das Unternehmen nicht zu stark in dieser Übergabephase von der Person des Unternehmers abhängen sollte, zeigt die Erfahrung. Eine enge Einbindung des Unternehmers und eine zu starke operative Abhängigkeit führen dazu, dass bei einem Wechsel oder Ausfall das Unternehmen in schwieriges Fahrwasser geraten und vor grosse Herausforderungen gestellt werden kann.

Die Nachfolge erschwert das, da dies auch nicht förderlich ist und selten ein Doppelgänger gefunden wird. Bei der Suche einer Nachfolge ist eher das Vertrauen in diese Person wichtig. Es ist daher entscheidend, die eigene Praxis in seinen Strukturen und Prozessen so aufzustellen, dass es operativ nicht zwingend von einer Person abhängig ist. Eine Übergabe kann so später auch aus Patienten- und Lieferantensicht leichter und schneller erfolgen.

Frühzeitige Vorbereitung der Nachfolge als Grundlage für den Erfolg

Als Beginn der Nachfolgeplanung kann die Lebensmitte angesehen werden, denn jede Nachfolge benötigt einen individuellen Zeitplan. Der Prozess kann von einem, über drei bis zu fünf, manchmal sogar bis zehn Jahre dauern. Mit dem Prozess sollte im Durchschnitt zwischen drei und fünf Jahre vor der geplanten Übergabe gestartet werden. Die folgenden Fragen zu Beginn des Nachfolgeprozesses könnten eine erste Orientierung bieten:

  • Sind Sie als Praxisinhaber bereit, sich mit Ihrer Nachfolge zu beschäfitgen?
  • Wie weit sind Sie in Ihrem Nachfolgeprozess?
  • Wer kommt aus heutiger Sicht für die Nachfolge infrage?
  • Was müssen Sie bis zur Übergabe noch klären und regeln? Operativ, steuerlich und rechtlich?

Das Modell der Vier-Zimmer-Wohnung

Bei jeder Veränderung, in der nicht nur positive Emotionen auftauchen, gehen Menschen durch einen Veränderungsprozess, der mit dem Modell der Vier-Zimmer-Wohnung dargestellt werden kann. Folgende Abbildung zeigt das Modell für den Nachfolgeprozess im Unternehmen, basierend auf dem House of Change des schwedischen Psychologen Claes F. Janssen.

House of Change
Abbildung 1: Modell der Vier-Zimmer-Wohnung für die Unternehmensnachfolge (nach Claes F. Janssen)

Um das Ziel der Übergabe an den Nachfolger zu erreichen, also um in das Zimmer der Erneuerung zu gelangen, benötigt der Übergebende den Fokus auf die Zukunft. Sie haben einen eigenen Lebensplan entworfen und wissen, wie sie sich ins Unternehmen zukünftig einbringen möchten.

Der Praxisinhaber gelangt aber nicht auf direktem Weg in das Zimmer der Erneuerung. Zunächst braucht er im Zimmer der Zufriedenheit einen Anstoss oder das Bewusstsein für die Regelung seiner Nachfolge. Möglicherweise schiebt der Praxisinhaber dann seine Nachfolge erst einmal auf. Das bedeutet, er befindet sich im Zimmer der Verneinung. Sie als Praxisinhaber wissen, dass eine Nachfolgeregelung die Zukunft der Praxis sichert, aber möchten sich den möglichen Konflikten und der Unruhe nicht stellen. Insbesondere dann, wenn alles gerade gut läuft. Gefühlt: »Kein Grund für Veränderungen!«

Aus dieser Position der Stärke benötigt der Praxisinhaber Gespräche mit vertrauensvollen Partnern, die Erinnerung an die persönliche Lebensplanung, Erfahrungsberichte anderer Praxisinhaber, um aus dem Zimmer der Verwirrung herauszukommen. Unternehmer sein heisst oft, Entscheidungen allein zu treffen. Ein Austausch mit anderen Partnern aber kann im Falle der Nachfolge zielführend sein.

Basis der inneren Treiber und Motive

Eine Übergabe nicht als Verlust zu sehen und vor diesem Hintergrund neue Projekte zu planen, steigert die Bereitschaft, sich mit der Nachfolgeplanung zu befassen. Um langfristig glücklich, zufrieden und erfüllt zu sein reichen oft ein perfekter Garten, einstelliges Golfhandicap und Traum-Reisen nicht aus.

Denn es fällt dem Praxisinhaber nicht leicht, die inneren Treiber, die Grundmotivationen, mit denen er die Praxis geführt hat, zu ignorieren. Diese inneren Treiber zu kennen und benennen zu können ist der Schlüssel, um die folgende Lebensphase erfolgreich planen und damit die Bereitschaft zu erhöhen, um den Nachfolgeprozess zu starten.

Es kann bei den Betroffenen beobachtet werden, dass folgende Motivationen – nach dem Modell von Steven Reiss – oft verstärkt ausgeprägt sind:

  • Macht
  • Status
  • Anerkennung
  • Oder Anerkennung wenig ausgeprägt = selbstsicher
  • Unabhängigkeit
  • Oder Unabhängigkeit wenig ausgeprägt = teamorientiert

Kennt der Praxisinhaber seine Motive und Werte, geben ihm diese Energie und Kraft für die Zeit nach der Übergabe. Sehr unterschiedlich und auf verschiedenen Wegen können diese Werte erfüllt werden. Sie sind nicht gebunden ans Unternehmersein, auch wenn Sie diese hier bislang erlebt und erfahren haben. Auch in anderen Projekten lassen sie sich erfüllen, mit anderen Menschen in einem anderen Umfeld. Dieses Selbstverständnis ermöglicht dem Praxisinhaber neue Handlungsoptionen.

Bei der Suche nach geeigneten Partnern spielt Vertrauen eine wichtige Rolle. Dies gilt für beide Unternehmer – für den Übergebenden und Übernehmenden. Vertrauen entsteht, wenn eine gemeinsame Sprache gesprochen wird und die Experten das Unternehmen verstehen, und auch den Menschen hinter dem Unternehmen. Dem Übergebenden geht es nicht nur um den monetären Anteil seiner Arbeit, sondern auch darum, dass seine Philosophie und seine Unternehmenswerte verstanden werden.

Anlässe zur Nachfolge erkennen und Prozess starten

Anlässe, sich mit der Praxisnachfolge zu beschäftigen, können sehr vielfältig sein. Meistens kommen sie aus dem Umfeld des Unternehmers. Die Familie, der Freundeskreis oder befreundete Unternehmer machen darauf aufmerksam.

Zu Beginn ist es wichtig,

  • sich einen Zeitrahmen zu setzen und einen Zeitplan zu erstellen,
  • sich persönlich als Praxisinhaber und die Praxis entsprechend darauf vorzubereiten,
  • sich Klarheit über die Ziele zu verschaffen und
  • sich für eine Nachfolgeoption zu entscheiden.

Dann geht es darum, sich rechtzeitig über die Prozessschritte klar zu werden.

Nachfolge in der Familie suchen

Die Familie früh in den Prozess mit einzubeziehen, ist familienintern entscheidend. Gegenseitige Erwartungen auszusprechen und offene Gespräche über die Nachfolge zu führen. Hier ist auch mit einem längeren Zeitraum zu rechnen und die Ausbildung der Kinder zu berücksichtigen.

Oft ist es ein Prozess über Jahre, in der die nächste Generation Schritt für Schritt ins Unternehmen eingebunden wird. Sie sammelt Erfahrungen, vielleicht auch in anderen Praxen oder mit ein, zwei Jahren Aufenthalt im Ausland.

Erst wenn eine familieninterne Übergabe nicht möglich ist, denken Praxisinhaber an eine externe Lösung. Als Praxisinhaber sollten Sie sich bewusst sein, dass es keine Doppelgänger geben wird. Die Nachfolgenden werden es anders angehen als man selbst. Und das ist auch gut für das Unternehmen, um Neuerungen zuzulassen. Nur so kann ein direkter, ständiger Vergleich mit dem alten Chef vermieden werden, und etwas frischer Wind kann bei solchen gravierenden Veränderungen nicht schaden.

Mit einer motivierenden Lebensplanung macht die Regelung der Nachfolge Freude und gibt dem Praxisinhaber die nötige Kraft und Ausdauer für diesen Schritt.

(Aus Vereinfachungsgründen und zur besseren Lesbarkeit wurde die männliche Form gewählt. Es sind selbstverständlich alle Geschlechter angesprochen.)

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