Die neue EU-Medizinprodukteverordnung (MDR)

MDR Medical Device Regulation | praxis- & personalberatung wohlmuth

Mit der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) wurde die bisher gültige Medizinprodukte-Richtlinie (93/42/EWG) sowie die Richtlinie über aktiv implantierbare medizinische Geräte (90/385/EWG) ersetzt. Am 5. Mai 2017 wurde die Verordnung über Medizinprodukte (Medical Device Regulation, MDR) und trat am 25. Mai 2017 in Kraft. Für die Hersteller von zugelassenen Medizinprodukten gab es eine Übergangsfrist von drei Jahren. Die Europäische Kommission hatte einen Vorschlag angenommen, die Übergangsfrist Corona bedingt auf den 26. Mai 2021 zu verlängern. Zwischenzeitlich ist diese Übergangsfrist abgelaufen und die neue EU-Medizinprodukteverordnung ist von allen Beteiligten umzusetzen.

Dabei werden Dentallabore sowie Praxislabore als Hersteller von Sonderanfertigungen nach dem Medizinprodukterecht gesehen. Auf diesem Gebiet verändert sich somit nichts. Der grundlegende Unterscheid zum vorhergehenden Medizinproduktegesetz (MPG) ist die weitergehende Präzisierung beim Thema Produktsicherheit. Wie das MPG ist die MDR ein Patientenschutzgesetz und soll so den »Lebenslauf« eines Medizinproduktes dokumentieren und regeln. Beleuchtet werden dabei Herstellung und Eingliederung.

Für die meisten Labore ergibt sich aus der MDR ein Anpassungsbedarf in fünf Bereichen:

  • Einführung eines Systems zum Risikomanagement
  • Einführung eines Systems zur Erfassung von Vorkommnissen und der Produktbeobachtung
  • Ernennung einer »für die Einhaltung der Regulierungspflichten verantwortlichen Person« nach Artikel 15 MDR
  • Angepasste Konformitätserklärung ausgestalten
  • Chargenrückverfolgung sicherstellen

Hohe Belastung für handwerkliche Betriebe

Gesetze sind zum Schutz des Verbrauchers gedacht – dabei geht es um Mindeststandards. Verbraucher wünschen sich die für sie beste Leistung oder das für sie beste Produkt. Für Betriebe können legislative Massnahmen auch leistungshemmend wirken, denn oftmals führen sie zu einer hohen bürokratischen Belastung führen. Betriebe können währenddessen weniger bei ihren Kunden sein. Vor allem vom Klein- und Mittelstand mit handwerklichem Fokus werden diese Massnahmen gespürt. Dabei ist in der heutigen Zeit der Klein- und Mittelstand mit seiner Kundennähe besonders relevant und schützenswert.

Fehler aus der DSGVO vermeiden

Bereits bei der Umsetzung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in 2018 wurde der administrative Aufwand für Handwerksbetriebe bedeutend erhöht. Folgen dessen sind verlorene Zeit und Unannehmlichkeiten für die Betriebe als auch für die Verbraucher. Folglich dessen sollten Dentallabore sowie Praxislabore dies bei der Umsetzung der MDR vermeiden oder mindestens den Aufwand minimieren zu versuchen! Getreu dem Motto »So viel wie nötig, so wenig wie möglich«.

Die wichtigsten Änderungen der MDR

In mehreren Punkten unterscheidet sich die MDR gravierend von den aktuellen EU-Richtlinien für Medizinprodukte und aktive implantierbare medizinische Geräte. Zu den wichtigsten Änderungen zählen u. a., dass die Pflicht zur Aufbewahrung von 5 auf 10 bzw. 10 auf 15 Jahre bei implantierbaren Medizinprodukten erhöht wurde. Zahnimplantate fallen nicht unter implantierbare Medizinprodukte, Silikonimplantate bei Brustvergrösserungen oder Augenlinsen hingegen schon.

Dentallabore als auch Praxislabore sind verpflichtet Konformitätserklärungen auszustellen, sodass diese dem Patienten ausgehändigt werden können.

Erweiterung des Geltungsbereichs

Im Bereich der Medizinprodukte und aktiven implantierbaren medizinischen Geräte werden die Definitionen erheblich erweitert und umfassen nun beispielsweise auch Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung, wie z. B. farbige Kontaktlinsen sowie Implantate und Stoffe für ästhetische Zwecke. Experten gehen davon aus, dass auch Geräte zur Vorhersage und Prognose des Krankheitsrisikos unter den Geltungsbereich der Verordnung fallen werden.

Benennung einer »qualifizierten Person«

In ihrer Organisation müssen die Hersteller von Medizinprodukten mindestens eine Person benennen, die letztendlich dafür zuständig ist, dass die Anforderungen der neuen Medizinprodukteverordnung erfüllt werden. Die Organisation muss die spezifischen Qualifikationen dieser Person im Hinblick auf die geforderten Aufgaben nachweisen. Diese Funktion kann an eine externe Stelle oder Person ausgelagert werden. Der Hersteller muss zwingend darauf achten, die die externe Stelle oder Person den Qualifikationsrahmen für die Ausübung erfüllt.

Umsetzung des Systems der einmaligen Produktnummer

Der Vorschlag für die Verordnung über Medizinprodukte fordert ein System der einmaligen Produktnummer (unique device identification, UDI). Mit dieser Anforderung soll die Rückverfolgbarkeit bestimmter Produkte innerhalb der Lieferkette für Hersteller und Behörden vereinfachen und so den schnellen und effizienten Rückruf von Medizinprodukten, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, ermöglichen. Die Europäische Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) soll ferner vergrössert und so der Zugang zu Informationen über zugelassene Medizinprodukte erleichtert werden. (Hinweis: Die Einführung der EUDAMED wurde auf Mai 2022 verschoben.)

Strenge klinische Überwachung nach dem Inverkehrbringen

Die Befugnisse der benannten Stellen bezüglich der klinischen Überwachung nach dem Inverkehrbringen werden durch die neue Medizinprodukteverordnung erweitert. Unangekündigte Audits, Stichproben- und Produktprüfungen stärken das Durchführungsverfahren der Europäischen Union und tragen dazu bei, das Risiko, das von unsicheren Medizinprodukten ausgeht, zu verringern. Die Hersteller müssen bei definierten Produktegruppen jährlich Berichte über die Sicherheit und Leistung ihrer Produkte einreichen.

Spezifikationen

Die MDR möchte das Regelungsinstrument der »Gemeinsamen Spezifikationen« einführen, das es der EU-Kommission bzw. den noch festzulegenden Expertengruppen ermöglicht, gemeinsame Spezifikationen zu veröffentlichen, die dann sowohl für die Hersteller als auch für die benannten Stellen gelten. Diese »Gemeinsamen Spezifikationen« gelten parallel zu den eventuell vorhandenen harmonisierten Normen.

Neueinstufung von Produkten nach Risiko, Kontaktdauer und Invasiviät

Hersteller müssen laut der neuen MDR die neuen Klassifizierungsregeln prüfen und ihre technische Dokumentation entsprechend aktualisieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für Medizinprodukte der Klasse III und implantierbare Produkte strengere klinische Anforderungen gelten. Daher unterliegen diese Medizinprodukte einem Mechanismus zur Kontrolle der Konformitätsbewertungen (Scrutiny-Prozess).

Strengere klinische Nachweise für Medizinprodukte der Klasse III und implantierbare Produkte

Hersteller, die nicht über ausreichende klinische Nachweise verfügen, um die geforderte Sicherheit und Leistung eines bestimmten Produktes zu belegen, sind verpflichtet, klinische Prüfungen durchzuführen. Die Hersteller müssen ausserdem zur laufenden Bewertung potenzieller Sicherheitsrisiken klinische Daten sammeln und aufbewahren.

Systematische klinische Bewertung von Medizinprodukten der Klassen IIa und IIb

Hersteller müssen ihre klinische Bewertung erneut erstellen. Dabei sind die neue Formulierung der Verordnung hinsichtlich der Gleichwertigkeit von Produkten ebenso zu berücksichtigen wie die Umstände, unter denen eine klinische Prüfung berechtigterweise entfallen kann.

Kein Bestandsschutz

Alle derzeit genehmigten Medizinprodukte müssen laut der MDR erneut nach den neuen Anforderungen geprüft und zertifiziert werden.

Die Umsetzung der Medical Device Regulation stellt insbesondere Praxislabore vor eine grosse Herausforderung, die mit strukturierter und organisierter Herangehensweise gut zu bewältigen ist. »Neulinge« in diesem Bereich unterstützen wir gerne kompetent. Fragen Sie uns einfach!

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