Auch Kleider »kommunizieren«: Patienten mögen Mediziner, die mit ihrer Kleidung Seriosität ausstrahlen. Stimmt das Outfit, stimmt auch das Vertrauen in die medizinischen Fähigkeiten. Damit aus dem Arzt der Arzt des Vertrauens wird, muss die Körpersprache ebenfalls stimmen.
Kleiderordnungen für Ärzte sind keine Erfindung der Neuzeit. Schon die 1562 erlassene Kleiderordnung der alten Erfurter Universität enthielt strenge Richtlinien für angehende Mediziner. Unter anderem forderte die Leitung der Universität, »dass die Doctores und Licentiaten ihrem Stande zur Ehre und zum guten Beispiele, wie dies während langen Jahrhunderten gebräuchlich gewesen, lange Kleider tragen, so dass die Röcke eine Hand breit unter die Knie gehen«.
Was dazumal die Puderhose war, sind heute Jeans und schrille Accessoires. Wie diese bei Patienten ankommen, wurde sogar wissenschaftlich untersucht. Für Testzwecke muteten australische Forscher Patienten eines Lehrkrankenhauses Mediziner mit Nasenringen und schrill gefärbten Haaren zu. Man wollte herausfinden, wie das Outfit des Arztes und das Patientenvertrauen zusammenhängen. Wie zu erwarten, war der Vertrauensvorschuss für die Nasenringträger gering bis gar nicht vorhanden. Die meisten Patienten wollten ihren Arzt wenigstens in Anzughose und Oberhemd sehen. Apropos Hemd: Das darf nicht zu schrill sein. Den Vertrauenslevel liessen Hawaiihemden ebenso sinken wie Jeans und auffallende Frisuren.
Diese Studie ist nicht die erste ihrer Art. Mittlerweile haben bereits 30 Untersuchungen den Zusammenhang zwischen Ärztekleidung und Patientenfeedback untersucht, so Dr. Lawrence J. Brandt des New Yorker Montefiore Medical Center, der sich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt. All diese Studien haben einen gemeinsamen Tenor: Für die Patienten ist wirklich wichtig, wie der Arzt gekleidet ist. Und die Patienten achten auch gezielt darauf, welches Outfit ein Mediziner trägt. Krawatten waren in all diesen Studien gar nicht besonders gefragt. Wirklich Respekt verschaffen sich hingegen jene Mediziner, die im weissen Mantel und mit Namensschild auftraten.
Uniformen: Patienten lieben sie
Uniformen, ein gemeinsamer »Dress Code«, scheinen psychologisch wichtig zu sein. Schon Hippokrates erkannte das. Er rät Medizinern in seinen Schriften »Über den Arzt«, den Patienten angemessen gegenüberzutreten und empfiehlt reinliche Kleidung und ein dezenter Duft. Eine Meinung, die von vielen erfahrenen Medizinern geteilt wird. Beim Patienten stehe Etikette für Respekt und Akzeptanz. Im Arztberuf spiele schliesslich die Kommunikation eine wichtige Rolle. Und dass Reinlichkeit seit Hippokrates noch immer gerne gesehen wird, zeigt schon das in Arztserien vermittelte Bild. Der Fernseh-Doc hat eben keine Blutspritzer an seiner weissen Kleidung! Das lernt schon jedes kleine Kind.
Kleidersünden
Imageberater teilen diese Meinung zum Thema Manieren und Karriere. Patienten würde jede Kleidersünde genau registrieren. Bei Medizinerinnen seien etwa schulterfreie Oberteile, Strumpfhosen mit Laufmaschen, zu tiefe Ausschnitte, schiefe Absätze und zu viel Schmuck besonders peinlich. Sie betonen, wie wichtig es sei, auf solche Kleinigkeiten zu achten. Frauen würden an ihrem Arbeitsplatz einer strengeren »Outfit-Kontrolle« unterzogen als Männer. Was Imageberater von Piercings und Ähnlichem halten, muss wohl nicht extra erwähnt werden.
Auf jeden Fall plädieren Imageexperten für den weissen Mantel. Davon ausgenommen sind Kinderärzte, denen dies aus psychologischen Gründen nicht empfohlen wird. Farbige Socken in weissen Clogs gelten als absolute Stilsünde. Der Rat an alle Mediziner lautet, »der weisse Mantel heiligt aber nicht alle Mittel«. Damit wird das »Darunter« schliesslich nicht gänzlich verborgen. Keinen Stein im Brett haben Ärzte, die den Eindruck machen, gerade auf dem Weg zum Golfplatz zu sein oder vom Ausmalen der Wohnung zu kommen. Der einhellige Tenor auch hier, dass »Ärzte, die sich etwas antun, sich Mühe geben, von Patienten respektiert werden«. Ansehen habe eben definitiv mit Aussehen zu tun – auch und gerade bei Medizinern.
Gefragt ist also korrekte und stilgerechte Kleidung. Die Passform der Kleidungsstücke und eine gute Qualität der Materialien sind wichtig. Die gepflegte Frisur, ein guter Haarschnitt und ein dezentes Make-up können den ersten Eindruck sofort positiv verändern. Das Styling zeigt, wie gut ein Arzt auf sich achtet und damit auch auf seine Patienten.
Welche »Stylingsünden« sollten Ärzte unbedingt vermeiden? Schuhe, die ungepflegt und von minderer Qualität sind, stellen eine häufige Stilsünde dar. Auch zu lässige und schlampige Kleidung kommt nicht gut an. Frauen sollten zu auffälliges oder übertriebenes Styling tabu sein. Das lässt wenig Vertrauen aufkommen. Unseriös wirken zu viel Schmuck oder tiefe Ausschnitte.
Andere Länder, andere Kleidersitten
Einen Blick in britische Arztpraxen und Kliniken sollte werfen, wer sich an besonders strengen Massstäben orientieren möchte. Nicht nur Colleges, auch die britischen Krankenhäuser legen Wert auf Gepflogenheiten und Traditionen. Korrekte Kleidung ist ein »Must« und gilt als Zeichen des Respekts gegenüber dem Patienten. Frauen tragen einen Rock oder ein Kleid und keinesfalls Birkenstocks. Fusszerstörende Stöckelschuhe werden hingegen akzeptiert! Ärztinnen sieht man nur in einigen besonders fortschrittlichen Einrichtungen in Hosen. Natürlich nicht in Jeans!
Ein weisses Hemd, dunkle Stoffhosen und vor allem ein Schlips sind die passende Arbeitskleidung für Herren. Die Krawatte darf etwas ausgefallen sein, das Hemd hingegen nicht. Weiss oder blassblau sind die bevorzugten Farben. Über auffallende Farbtupfer oder grob gemusterte Oberhemden sind die Briten »not amused«. Manchmal darf es auch ein Rollkragenpullover sein. An die männlichen Medizinerfüsse gehören elegante Strassenschuhe, keinesfalls aber weisse Schuhe oder gar Birkenstocks, die als Gipfel der Geschmacklosigkeit gelten. Visiten werden dort schon mal im eleganten Anzug gemacht.
Weisse Mäntel, heimisches Markenzeichen von Ärztinnen und Ärzten, werden nur manchmal getragen. Typischerweise baumelt das Stethoskop um den Hals mangels Kitteltasche. Mitunter auf Kriegsfuss mit diesen Kleidersitten stehen Kollegen aus dem Ausland. Das ist wohl auch der Grund für das Gerücht, dass es in einem britischen Krankenhaus wichtiger sei, formelle Kleidung zu tragen, als den darüber wehenden Kittel mehr als zweimal pro Jahr zu wechseln …
Etwas weniger restriktiv ist die Kleiderordnung für Mediziner in Südeuropa. Schlappen und andere »Modesünden« sieht man auch hier nicht gerne. Den in Grossbritannien gebräuchlichen weissen Mantel kann man getrost im Schrank hängen lassen. Unverzichtbare Bestandteile des »Smart Dress« sind Stoffhose, Hemd und Krawatte. Selbst im fernen Südafrika erinnern Ärzte oft eher an Banker, ausgestattet mit Hemd, Krawatte und Bügelfaltenhose. Sogar in der Karibik herrscht Krawattenzwang. In Trinidad und Tobago etwa wird sie von Medizinern ebenso erwartet wie die Stoffhose und ein dezentes Hemd.