Wie kalkulieren externe Abrechnungsexperten?

Wie kalkulieren externe Abrechnungsexperten? | praxis- & personalberatung wohlmuth

Fachkompetentes Personal wird in Arzt- und Zahnarztpraxen seit Jahren immer rarer. Ein sich bereits lange abzeichnendes Problem, das viele Praxisinhaber vor die Entscheidung stellt, ihre ärztliche oder zahnärztliche Abrechnung selbst zu erledigen oder an externe Abrechnungsexperten zu übertragen.

In einer solchen Zusammenarbeit verhält es sich ähnlich wie beim Rekrutieren von Personal: Der Auftraggeber möchte für maximale Leistung so wenig wie möglich ausgeben und der Auftragnehmer möchte nicht unterbezahlt werden, um von seiner Selbstständigkeit leben zu können. Dabei hören externe Abrechnungsexperten von ihren potenziellen Auftraggebern immer wieder den Satz, dass man doch keine Kosten hätte und der Preis deshalb viel zu hoch wäre. Schön wäre es!

Warum ist es wichtig, über Preise zu sprechen

Viele wagen als externe Abrechnungsexperten den Schritt in die Selbstständigkeit und haben ein kleines Problem: Sie wissen nicht, welche Preise man für die verschiedenen Dienstleistungen verlangen kann. Die Preise kennen viele nur vom Hörensagen oder von Auftraggeberseite, der den Preis vorgibt. In diesem Bereich wird viel geflunkert, Ehrlichkeit sucht man meist vergebens.

Existenzgründer starten deshalb oft mit einem Preis nach Bauchgefühl, um bloss nicht zu teuer zu sein. Schliesslich will man ja Aufträge erhalten. Erst später merken sie dann, dass ihre Preise nicht stimmen können. Und wenn sie stimmten, dann konnten sie auf keinen Fall nachhaltig sein.

Als selbstständig Erwerbender muss man Rücklagen bilden und für seine Altersvorsorge kalkulieren. Aber vielleicht haben ja manche nebenbei im Lotto gewonnen?

«Wer freiberuflich arbeitet, kann nur etwa die Hälfte der geleisteten Arbeitszeit tatsächlich fakturieren»

Was bedeutet das genau? Nur etwa 50 Prozent der geleisteten Arbeitszeit werden fakturiert, also den Auftraggebern in Rechnung gestellt. Die andere Hälfte der Arbeitszeit wird nicht bezahlt.

In diesen unbezahlten 50 Prozent wird aber trotzdem hart gearbeitet: Kundengewinnung, Angebotserstellung, Rechnungsstellung, Weiterbildungen, Marketing, Behebung von Computerproblemen und anderen organisatorischen Aufgaben. Freelancer sind in dieser Zeit ihre eigene IT-Abteilung, Marketingabteilung, das Controlling und Sekretariat.

Wie hoch ist die fakturierbare Arbeitszeit bei externen Abrechnungsexperten?

Die Rechnung ist ganz simpel: Jedes Jahr gibt es ungefähr 260 Wochentage und im Durchschnitt 10 Feiertage, die auf einen Wochentag fallen. Daraus resultiert, es gibt maximal 250 Arbeitstage. Maximal, weil von diesen Tagen (wahrscheinlich) noch Krankheitstage (Bundesdurchschnitt ca. 15 Tage) – und (hoffentlich) Urlaubstage (Bundesdurchschnitt 30 Tage) – abgezogen werden.

Nach Adam Riese bleiben von den 250 Arbeitstagen nach Abzug von Krankheits- und Urlaubstagen noch ungefähr 205 Tage übrig. Das war’s schon? Nicht ganz.

Wie war das? Durchschnittlich nur 50 Prozent der Arbeitstage können in Rechnung gestellt werden. 50 Prozent von 205 Tagen ergeben also 102,5 Tage, die der Selbstständige an Kunden verkaufen und berechnen kann.

Auf Stunden heruntergebrochen ergeben sich also 102,5 Tage x 8 Stunden = 820 Stunden pro Jahr. Und das jetzt einfach mit einem Stundensatz multipliziert und zack, haben wir den Jahresumsatz. Nur, welcher Stundensatz soll genommen werden?

Dumpingpreise als Marketingstrategie

Das uns bekannte Preisspektrum bewegt sich von 25 bis 120 EUR pro Stunde. Existenzgründer stehen vor allem vor der Frage, wie sie ihre Preise wirtschaftlich sinnvoll kalkulieren sollen. Das endet nicht selten in einem Unterbieten der anderen Dienstleister, ganz nach dem Motto »Wenn ich günstiger als alle anderen bin, erhalte ich bestimmt den Auftrag.«.

Blicken wir etwas in die Vergangenheit. Im Jahr 2008 kostete ein halbes Pfund Butter 1.10 EUR und das Briefporto für einen Standardbrief lag bei 55 Cent. Nehmen wir an, dass in diesem Jahr ein externer Abrechnungsexperte einen Stundensatz von 45 EUR für sich kalkulierte und berechnete.

Und nun zurück ins aktuelle Jahr 2021: Ein halbes Pfund Butter kostet mit 1.59 EUR im Schnitt 45 Prozent mehr als damals. Das Briefporto für einen Standardbrief ist zwischenzeitlich auf 80 Cent gestiegen und somit ebenfalls um 45 Prozent erhöht.

Nimmt man die Preissteigerung von 45 Prozent als die tatsächliche Teuerungsrate in den letzten 10 Jahren an und addiert eine Preisteuerung von ca. 2 Prozent für das vergangene Jahr, dann erhalten wir 67.00 EUR als »neuen« Preis pro Stunde für das Jahr 2021.

Was für den Externen übrig bleibt

Legt man die fakturierbare Zeit von 820 Stunden bei einem Stundensatz von 67.00 EUR zugrunde, würde der Jahresumsatz des externen Abrechnungsexperten 54’940 EUR betragen. Davon sind in Abzug zu bringen:

  • Steuern (Annahme 42 % entspricht 23’074 EUR)
  • Krankenversicherung ca. 500 EUR pro Monat (ca. 6’000 EUR pro Jahr)
  • Altersvorsorge mind. 450 EUR pro Monat (mind. 5’400 EUR pro Jahr)

Abgaben summieren sich bis hierhin auf ca. 34’474 EUR, womit ein maximales Jahresnettoeinkommen von 20’466 EUR (ca. 1’700 EUR pro Monat) verbliebe und einem Stundenlohn von unter 10 EUR!

Worin diese 1’700 EUR monatlich investieren? Wie wäre es mit Miete, Essen, Mobilität, Strom, Wasser, Büroausstattung (Computer), Weiterbildungen, Urlaub, Gesundheitskosten bei einem plötzlichen Krankheitsfall etc.?

Kalkulation auf «heute» statt in die Zukunft

Tankstellen passen ihre Preise mehrfach täglich an. Die Gesellschaften reagieren damit auf steigende oder fallende Rohstoffpreise und natürlich steckt auch Gewinnoptimierung dahinter. Als Dienstleister gelten die vereinbarten Preise dagegen meist für mehrere Monate oder Jahre.

Und genau deswegen müssen zukünftige Kosten bereits heute einkalkuliert werden. Dies betrifft sowohl geschäftliche als auch private Kosten. Auch hier verändern sich Energiekosten, Abgaben und Steuern, Versicherungsbeiträge und weiteres mehr.

Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und nicht den Wert.

Oscar Wilde (1854 – 1900)

Fazit – Umsatz ist nicht gleich Einkommen

Als Freelancer bekommt man auch gerne den Spruch zu hören: «Dann verdienen Sie ja mehr als ich!» Gratulation an jeden Auftraggeber, für den der erzielte Umsatz sein zu versteuerndes Einkommen darstellt! Wir haben seit Unternehmensgründung niemanden kennenlernen dürfen, bei dem dies der Fall ist. Diese besondere Spezies scheint uns bisher verborgen geblieben zu sein. Oftmals sind keine oder nur sehr geringe Kenntnisse einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation vorhanden, die die Ursache für solche plumpen Aussagen darstellt.

Ein wirtschaftliches Handeln ist auch für externe Abrechnungsexperten von grosser Bedeutung, möchten sie ihre Selbstständigkeit nachhaltig auf sichere Beine stellen. Der gesetzliche Mindestlohn ist bei manchem selbstständig Erwerbenden näher, als er zu denken vermag.

Wie bei jedem Unternehmer gibt es mal volle Auftragsbücher und mal herrscht Flaute. Jeder muss für sich entscheiden, mit welchem Nettoeinkommen er sich zufrieden geben kann und will. Potenzielle Auftraggeber kommen gerne mit der Aussage, dass ein externer Abrechnungsexperte keine Kosten hätte und der veranschlagte Preis deshalb gar nicht gerechtfertigt wäre. Auch ein externer Abrechnungsexperte hat diverse Kosten zu stemmen und ein Unternehmerrisiko zu tragen, so wie jeder andere Unternehmer auch und deshalb ist es nur legitim, den mittels Kalkulation ermittelten Preis durchzusetzen. Schon deshalb, weil das Preisgefüge mit ein Anhaltspunkt für eine mögliche Scheinselbstständigkeit sein kann.

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