«Lehrjahre sind keine Herrenjahre», diesen Spruch kennen viele der mittleren und älteren Generation. Ist es sinnvoll, die Ausbildungszeit der nachfolgenden Generation mit diesem Spruch im Hinterkopf zu gestalten? Zwei Generationen prallen in einem Ausbildungsverhältnis aufeinander. Beide haben unterschiedliche Auffassungen und Erwartungen aneinander, mitgeprägt durch das Elternhaus.
Die Auszubildenden wachsen heute behütet auf. Noch während ihrer Schulzeit sollen sie ihre Entscheidung fürs Leben treffen: die Wahl des richtigen Ausbildungsberufes. Wer der älteren Generation angehört und ehrlich zu sich selbst ist wird sagen, dass man selbst in dieser Lebensphase mit dieser Entscheidung überfordert war. Schon damals haben viele einen Ausbildungsberuf ergriffen, der alles andere als ein Glücksgriff war.
Anfänglich noch hoch motiviert und wissbegierig verliert der Auszubildende mit zunehmender Ausbildungsdauer die Lust an der Ausbildung. Oder es wird ihm mehr und mehr bewusst, dass er sich für den falschen Beruf entschieden hat. Deshalb, aber nicht nur deswegen werden eine Vielzahl von Ausbildungsverträgen vorzeitig aufgelöst. Es ist nachvollziehbar, dass dies ausbildende Unternehmen nicht gerade zu Freudensprüngen bewegt. Aber liegt es immer an den Auszubildenden, dass die Ausbildung grosse Schwierigkeiten bereitet und zum Abbruch führt?
Die Probezeit
In den ersten Monaten der Ausbildungszeit gestaltet sich eine Trennung für beide Parteien noch sehr einfach. Innerhalb der Probezeit, die gemäss deutschem Berufsbildungsgesetz (BBiG) nicht länger als vier Monate dauern darf, kann das Ausbildungsverhältnis von beiden Parteien jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist beendet werden.
Nach Ablauf der Probezeit gestaltet sich die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses schwieriger. Es muss dann ein schwerwiegender Kündigungsgrund (Pflichtverletzung) vorliegen. Darin verbirgt sich ein Risiko, dass Auszubildende ihre Position ausnutzen und sich dementsprechend negativ verhalten, während sie ihr eigentliches Interesse an ihrer Ausbildung bereits verloren haben.
Anweisungen werden nur noch halbherzig befolgt oder ignoriert, sie kommen häufig unpünktlich zur Arbeit, das Berichtswesen wird vernachlässigt oder z. B. eine höhere Aggressivität. Dies belastet die Vorgesetzten und Kollegen und schadet dem Betriebsklima.
Wie mit dieser Situation umgehen?
Resignieren und die Ausbildung einfach so weiterlaufen lassen, ist eine Möglichkeit, aber nicht zu empfehlen. Der Auszubildende würde dadurch immer mehr Entscheidungsfreiheit bekommen, was schlussendlich zur Eskalation führt. Als Ausbilder sollte man das Problem an der Wurzel zu packen versuchen und herausfinden, welche Ursachen zum schwierigen Verhalten des Auszubildenden führen. Meist gibt es nicht nur eine Ursache, sondern einige.
Ausbilder sollen hier das offene Gespräch suchen. Darin geht es zunächst nicht um eine Fehlersuche beim Auszubildenden, sondern was ihn beschäftigt oder belastet. Es sollte ein Gespräch auf Augenhöhe sein, der Auszubildende sollte sich ernst genommen fühlen. Der Auszubildende soll sich zu den Problemen äussern können, ohne sofortige Konsequenzen fürchten zu müssen. Der Ausbilder fungiert als empathischer Berater und Begleiter.
Im Gespräch sollten Ausbilder ihre Position offen darlegen und sagen, was sie am Verhalten stört und möglichst konkret formulieren, welche Veränderung er sich wünscht. Ist das Verhalten des Auszubildenden sehr schwierig sollte im Gespräch auch erwähnt werden, welche Folgen es für das persönliche Verhältnis zwischen Ausbilder und Auszubildenden hat und dass sich das Verhalten belastend für den Ausbilder auswirkt.
Als Vorgesetzter sollte man sich im Gespräch nicht durch die Antworten des Auszubildenden provozieren lassen, sondern sachlich reagieren. Dem Auszubildenden hilft das Signal, dass eine konstruktive Lösung angestrebt wird, die für beide Seiten positive Auswirkungen haben wird. Das Signal sollte zeitnah angepackt und der Auszubildende mit einbezogen werden, Step by Step. Der Ausbilder fungiert als empathischer Berater und Begleiter, strittige Punkte werden nacheinander angesprochen und abgearbeitet. Der Auszubildende erfährt das Gefühl, dass auf ihn zugegangen wird.
Doch nicht immer zeigen sich Auszubildende offen und ehrlich. Ausbilder sind dann angehalten, selbst Ursachenforschung zu betreiben. Auffälligkeiten können viele Ursachen haben, betriebliche und ausserbetriebliche.
Wurden konkrete Lösungen erarbeitet, sollte das Vereinbarte schriftlich und möglichst detailliert festgehalten werden, um später unterschiedliche oder missverständliche Darstellungen zu vermeiden.
Besteht eine Über- oder Unterforderung?
Auszubildende können leicht demotiviert werden, z. b. wenn die Aufgabe zu schwierig oder zu einfach ist. Sind die Anforderungen zu hoch, führt dies zur Resignation beim Auszubildenden. Bei zu einfachen Aufgaben fühlt sich der Auszubildende unterfordert und führt zur Langeweile und Frustration, auch wenn nicht genügend Arbeit vorhanden ist.
Ein ausbleibender Lernerfolg kann das Selbstbewusstsein schwächen. Die Ausbildung soll nicht nur berufliche Fertigkeiten vermitteln, sondern auch Eigenständigkeit und Selbstverantwortung fördern. Gelingen kann dies, wenn der Ausbilder die Aufgabenstellung und Aufgabenvermittlung an die Fähigkeiten und Motivation im Sinne des Reifegrades des Auszubildenden anpasst. Unterweisen, Überzeugen, Partizipieren und Delegieren, immer am Lernerfolg orientiert.
Lernhilfen geben
Bei Lernschwierigkeiten des Auszubildenden sollte der Einsatz von Lernhilfen überdacht werden. Je nach Lernziel, Lerngegenstand und Lernschwierigkeit können zusätzliche Lernhilfen eingesetzt werden.
Benötigen Auszubildende Motivationshilfen, steigert Loben sein Selbstwertgefühl. Auszubildende sollen zu einer positiven Fehlerkultur ermutigt werden, die Lernhemmungen beseitigen. Auszubildende im Team mit einbeziehen und den Austausch in der Gruppe fördern gibt ebenfalls einen Motivationsschub. Ausbilder sollten versuchen Interesse zu wecken, indem die Bedeutung und die Aufgabe des Lerninhalts herausgestellt wird.
Fördern Sie mit genügend Zeit zum Probieren, Diskussionen um Alternativlösungen, wiederholte Demonstration von Abläufen die Problemlösungskompetenz des Auszubildenden.
Lernphasen und Leistungen bewerten
Am Ende einer Lernphase sollte ein Beurteilungs- und Feedbackgespräch als Standortbestimmung stehen. Der Ausbilder beurteilt am besten einzelne Lerneinheiten und Lernziele und meldet dies dem Auszubildenden zurück. Die Leistung des Auszubildenden wird so regelmässig kontrolliert und er bekommt einerseits zusätzliche Motivation und andererseits weiss er, woran er noch arbeiten muss.
Hilfreich ist zusätzlich, wenn eine Selbsteinschätzung des Auszubildenden eingeholt wird. Damit wird seine Selbstreflexion gefördert und kann Selbst- und Fremdeinschätzung gut vergleichen. Übrigens, schlechte Ausbildungsergebnisse stellen keinen Kündigungsgrund dar.
Wenn das Team zum Problem wird
Wie schon erwähnt, sind die Ursachen meist vielfältig. Der Auszubildende entwickelt sich in den einzelnen Lernphasen gut bis sehr gut und dennoch liegt etwas in der Luft, das das Ausbildungsverhältnis schwierig macht. Zwischenmenschliche Probleme innerhalb des Teams können eine Ursache sein.
Auszubildende sind das schwächste Glied im Unternehmen. Lassen ihn dies etablierte Kollegen spüren und der Auszubildende weiss in seinen jungen Jahren nicht, wie er sich dagegen wehren kann? Oder er hat Angst, sich bemerkbar zu machen? Sind andere zwischenmenschliche Probleme vorhanden? Hat der Auszubildende Streit oder Konflikte mit anderen Auszubildenden, weil sie gegenseitig um Anerkennung ringen? Auszubildende leiden nicht nur hierunter, sondern auch, wenn es zwischen ihm und dem Ausbilder Spannungen gibt, weil Wertschätzung und Sympathie füreinander fehlen. Fehlende Anerkennung und Antipathien können zu Frust und Desinteresse führen.
Das Gespräch suchen
Gerade beim Führen junger Menschen ist viel Sensibilität nötig. Vorgesetzte sollten im Gespräch mit dem Auszubildenden ihre Position offen darlegen und sagen, was sie am Verhalten stört und welche Veränderung sie sich wünschen. Der Wunsch sollte so konkret als möglich formuliert werden. Wichtig dabe ist auch zu erwähnen, welche Folgen das Verhalten für das persönliche Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Auszubildenden hat, und dass das Verhalten sich belastend für die Führungskraft auswirkt.
Im Gespräch mit dem Auszubildenden sollten Vorgesetzte sich nicht durch dessen Antworten provozieren lassen, sondern sachlich reagieren. Dem Auszubildenden hilft zu erklären, dass eine konstruktive Lösung angestrebt wird, die für beide Seiten positive Auswirkungen haben wird. Diese Lösung gilt es mit dem Auszubildenden zu verhandeln. Die strittigen Punkte sollten Vorgesetzte dabei nacheinander ansprechend und abarbeiten. Wichtig für den Auszubildenden ist das Gefühl, dass auf ihn zugegangen wird.
Wurden konkrete Lösungen erarbeitet, sollte das Vereinbarte schriftlich und möglichst detailliert festgehalten werden, um später unterschiedliche oder missverständliche Darstellungen zu vermeiden.
Grenzen und Konsequenzen aufzeigen
Verhalten sich Auszubildende problematisch, indem sie beispielsweise sich regelmässig freche Antworten geben oder sich im Ton vergreifen, sollten Ausbilder das Vier-Augen-Gespräch mit dem Auszubildenden suchen. Darin sollte verdeutlicht werden, dass ein derartiges Verhalten nicht toleriert und das unangemessene Äusserungen und Bemerkungen im Unternehmen nichts verloren haben. Dabei ist es hilfreich konkrete Beispiele für diese Äusserungen zu nennen.
Schwierigen Auszubildenden sollten Vorgesetzte klar machen, dass ein respektvoller Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten eine Bedingung für eine gute Zusammenarbeit darstellt und dies auch erwartet wird. Ein Hinweis auf mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie etwa das Aussprechen einer Abmahnung oder Verwarnung sollte erfolgen. Es bietet sich auch hier an, das Gesagte schriftlich festzuhalten als Beleg, falls eine Abmahnung tatsächlich ausgesprochen werden muss.
Berufsschule mit ins Boot nehmen
Es ist von vielen Faktoren abhängig, ob und mit welchem Aufwand Konflikte mit Auszubildenden bearbeitet und gelöst werden. Besonders wichtig ist das Erkennen, in welcher Phase sich ein Konflikt befindet. Es fällt sicher einfacher, wenn der Konflikt noch in einer frühen Phase und ohne Eskalation ist. Deshalb: Als Arbeitgeber so früh wie möglich handeln! Arbeitgeber sollten bei Bedarf auch mit den Verantwortlichen in der Berufsschule über die Probleme mit dem Auszubildenden sprechen oder ein Elterngespräch in Erwägung ziehen. Möglicherweise kann von deren Seite positiv auf den Auszubildenden eingewirkt werden.
Auflösung des Ausbildungsvertrages
Kommen Arbeitgeber und Auszubildender zum Ergebnis, dass das Fortführen der Ausbildung keinen Sinn mehr macht, bietet sich eine einvernehmliche Auflösung des Ausbildungsvertrages an. Arbeitgeber sollten in diesem Fall das Gespräch mit dem Auszubildenden suchen und darauf hinwirken, dass man sich im Guten trennen möchte.
Kündigung des Auszubildenden als letzter Weg
Ist keine einvernehmliche Lösung aufgrund des Verhaltens des Auszubildenden möglich, bleibt nur noch die Kündigung des Ausbildungsvertrages. Ob und wie ein Auszubildender gekündigt werden darf, hängt vom Fortschritt des Ausbildungsverhältnisses ab:
Die Kündigung innerhalb der Probezeit ist der einfachste Fall, wie bereits eingangs erwähnt. Arbeitgeber können Auszubildende relativ einfach kündigen. Auszubildende, die wiederholt negativ auffallen und damit das Betriebsklima beeinträchtigen, können ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Allfällige gesetzliche Verbote, wie zum Beispiel ein besonderer Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz sind hier zu beachten.
Nach der Probezeit können Auszubildende nur noch dann fristlos gekündigt werden, wenn ein wichtiger Kündigungsgrund nach dem Berufsbildungsgesetz vorliegt. Sie unterliegt dann anderen Regelungen als die Kündigung eines üblichen Arbeitsverhältnisses. Es ist gesetzlich gewollt, dass Auszubildende während der Ausbildung einen sehr weitgehenden Schutz geniessen. Wer ausbildet, übernimmt daher eine besondere Verpflichtung, aus der sich der Arbeitgeber nach Ablauf der Probezeit nur noch aus wichtigem Grund wieder lösen kann. Während seines Bestandes kann ein Ausbildungsverhältnis also nicht ordentlich gekündigt werden.
Die zuständigen Kammern oder Innungen unterhalten grundsätzlich einen aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammengesetzten paritätischen Ausschuss, der bei Streitigkeiten aus einem bestehenden Ausbildungsverhältnis der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen grundsätzlich vorgeschaltet ist.
Die Kündigung selbst muss schriftlich und nach Ablauf der Probezeit unter exakter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. Sofern einschlägig, sollte auf vorangegangene Abmahnungen oder Verwarnungen Bezug genommen werden. Ist der Auszubildende noch nicht volljährig, so kann der Ausbilder eine Kündigung grundsätzlich nur gegenüber dem gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen wirksam erklären. Zum letzten Schritt der Kündigung sollte nur gegriffen werden, wenn eine Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses bis zum Ende der Ausbildungszeit für den Arbeitgeber unter keinen Umständen mehr zumutbar ist.
(Die männliche Form wurde aus Gründen der Vereinfachung gewählt und beinhaltet alle Geschlechter.)