Kapital trifft Kittel: Wenn Investoren Arztpraxen und Pflegeheime übernehmen

kapital trifft kittel: wenn investoren arztpraxen und pflegeheime übernehmen | praxis- & personalberatung wohlmuth

Wie Private Equity die Daseinsvorsorge verändert – und warum das alle betrifft

Was früher in öffentlicher oder inhabergeführter Hand lag, wird zunehmend zur attraktiven Renditequelle für internationale Finanzinvestoren: Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Pflegeheime und soziale Einrichtungen geraten immer stärker ins Visier von Private-Equity-Gesellschaften. Die Folgen sind tiefgreifend – für Beschäftigte und Patienten sowie für die Gesellschaft insgesamt.

Der neue Investorenliebling: Gesundheits- und Pflegesektor

Private Equity steht für hohe Gewinnziele und kurzfristige Renditeoptimierung – ein Ansatz, der eigentlich nicht zum Selbstverständnis des Gesundheitswesens passt. Und doch: Kliniken, ambulante Versorger, Pflegedienste und ärztliche Versorgungszentren (MVZ) werden zunehmend durch aufgekaufte Ketten ersetzt, hinter denen global agierende Finanzgesellschaften stehen. Deren Ziel: zweistellige Renditen, möglichst schnell erzielt – notfalls auf Kosten von Qualität und Arbeitsbedingungen.

Der Preis der Rendite: Personalabbau, Lohnkürzung, Mietdruck

Wie das funktioniert? Nach dem Kauf werden die übernommenen Einrichtungen häufig hoch verschuldet, um teure Übernahmen zu finanzieren. Immobilien werden veräussert, aber weiterhin genutzt – allerdings gegen teure Miete. Das freigesetzte Kapital fliesst an die Investoren. Gleichzeitig wird der Personalaufwand reduziert, die Löhne stagnieren oder sinken – eine fatale Entwicklung, insbesondere in Pflege und Medizin, wo Fachkräfte ohnehin rar sind.

Gewerkschaften wie ver.di schlagen Alarm: Die Versorgungssicherheit, die Motivation der Beschäftigten und letztlich die Lebensqualität der Patienten leiden unter diesem wirtschaftlichen Spardruck.

Gesellschaftliche Verantwortung in der Schieflage

Kritik kommt nicht nur aus der Praxis, sondern auch von Organisationen. Deren Vertreter sprechen von „Ungleichheitsmaschinen“: Investoren, die durch aggressives Finanzgebaren Reichtum von unten nach oben umverteilen. Während Beschäftigte im Gesundheitswesen am Limit arbeiten, erzielen Private-Equity-Firmen Milliardengewinne – häufig steueroptimiert und international verschachtelt.

Ein Beispiel von Stephen Schwarzman, CEO der Investmentgesellschaft Blackstone, verdeutlicht das Ausmass: Sein Jahreseinkommen übersteigt das des Deutsche-Bank-Chefs um das Hundertfache – ein Symbol für die zunehmende Kluft zwischen Kapital und öffentlichen Auftrag.

Ein Gesundheitswesen am Scheideweg

Die zunehmende Kommerzialisierung wirft zentrale Fragen auf: Welche Rolle soll Gewinnorientierung im Bereich der Daseinsvorsorge spielen? Wo liegen die Grenzen privatwirtschaftlicher Einflussnahme? Und wie kann der Gesetzgeber sicherstellen, dass medizinische und pflegerische Versorgung auch künftig gemeinwohlorientiert bleibt?

Diese Debatte betrifft uns alle – als Bürger, als Angehörige, als Menschen in einem Gesundheitssystem, das mehr ist als ein Markt.

Schreiben Sie einen Kommentar