Factoring als Liquiditätssicherung einer Praxis

Factoring als Liquiditätssicherung einer Praxis

Neugründer von Arzt- und Zahnarztpraxen haben lange Checklisten abzuarbeiten, bis sie das Ziel der Praxiseröffnung erfolgreich gemeistert haben. Angefangen von den Räumlichkeiten, der Ausstattung derselben mit Mobiliar und technischem Equipment bis hin zur Finanzierung des Projekts. Mit dem Start der täglichen Praxis beginnen alle Prozesse zu laufen, von der Leistungserbringung über deren Umsetzung in eine fundierte Honorarabrechnung bis hin zur Debitorenbuchhaltung und weitere mehr.

Gerade in den Anfängen als niedergelassener Arzt oder Zahnarzt sind die Finanzierungslimite bei der Hausbank oftmals fast ausgereizt. Ein zügiger Geldfluss sollte einsetzen, um sich etwas Luft zu verschaffen und die nun anfallenden variablen und fixen Kosten sicher decken zu können. Wer nachfinanzieren muss, bezahlt dies in der Regel mit einem höheren Zinssatz bei der Hausbank. Ist Factoring hier hilfreich oder eher nicht?

Wie funktioniert Factoring?

Factoring findet schon seit Jahren nicht nur mehr bei Privatpatienten Anwendung, sondern auch bei jeglichen Selbstbehalten der Patienten. Seien es IGeL-Leistungen bei Ärzten, Prophylaxemassnahmen und Selbstbehalte bei Zahnersatz, ästhetische Massnahmen wie z. B. Bleaching von Zähnen oder Plastische Operationen und weitere mehr.

Als Praxis oder Medizinisches Versorgungszentrum fakturieren Sie dabei die erbrachten Leistungen wie gewohnt und übermitteln diese dann an den Factor. Dieser finanziert die Rechnungsbeträge für Sie vor und bringt diese dann zur Auszahlung auf Ihr Konto, häufig bevor der Patient den Ausgleich des Rechnungsbetrages beim Factor vorgenommen hat. Auf diese Weise verfügen Sie zeitnah nach Faktura über liquide Mittel, was die Betriebsfortführung finanziell sichern kann. Der entscheidende Vorteil hiervon ist, dass Factoring ohne zusätzliche Sicherheiten auskommt, auch in der Phase einer Insolvenz.

In Deutschland finanzieren Factoringgesellschaften mittlerweile nicht nur mehr Selbstbehalte der Patienten, sondern auch alle Honorare der gesetzlichen Krankenversicherung, angefangen von den Festzuschüssen bis hin zur Quartalsabrechnung.

Professionelles Debitorenmanagement durch den Factor

Im ärztlichen Bereich ist das offene Full-Service-Factoring weit verbreitet. Der Factor übernimmt das Debitorenmanagement in Abstimmung mit dem Mandanten. Dazu zählen auch das Mahnwesen und die Beitreibung, falls diese notwendig wird sowie Korrespondenz mit Erstattungsstellen und Patienten. Somit verschafft sich eine Praxis oder ein Medizinisches Versorgungszentrum freie Ressourcen und kann sich in vollem Umfang auf seine Kerntätigkeit konzentrieren.

Schutz vor Forderungsausfällen

Im Gegensatz zur Industrie oder dem Handel besteht bei Factoringgesellschaften im medizinischen Bereich oftmals kein vollumfassender Ausfallschutz oder dieser ist an Bedingungen geknüpft. Eine Bedingung stellt die Bonitätsprüfung vor Behandlungsbeginn dar. Signalisiert der Factor nach Bonitätsprüfung den Ankauf der Forderung, liegt das Ausfallrisiko meistens auf Seiten des Factors. Fällt eine Bonitätsprüfung für den Patienten negativ aus, kann die Leistung ohne Übernahme des Ausfallrisikos an den Factor übermittelt werden. Ein Factor kann die Übernahme von Fällen ablehnen, wenn die Aussicht auf Ausgleich der Forderung verschwindend gering ist. In der Regel fallen Patienten darunter, deren Bonitätsanfrage aufgrund Überschuldung abgelehnt wird oder bereits eine ganze Reihe weiterer unbeglichener Forderungen mit Inkassostatus aufweisen.

Welche Kosten kommen beim Factoring auf Sie zu?

Als Kunde bezahlen Sie eine Gebühr, deren Höhe individuell festgelegt wird. Diese ist abhängig von folgenden Faktoren:

  • Jahresumsatz
  • Anzahl der Rechnungen
  • Debitorenstruktur
  • Zahlungsziel der Kunden
  • Auszahlungszeitpunkt

Die Factoringgebühr liegt ungefähr im Skontobereich und verursacht damit in der Regel keine Zusatzkosten eine Praxis, da die gewonnene Liquidität genutzt werden kann, um bei Lieferanten Einkaufsvorteile wie zum Beispiel Skonto zu nutzen.

Was sollten Sie vermeiden?

Entscheiden Sie sich für die Zusammenarbeit mit einer Factoringgesellschaft sollten Sie alle Selbstbehalte über den Factor abrechnen. Factoringgesellschaften bemerken, wenn Praxen selektieren und nur „die schlechten Zahler“ via Factor abrechnen. Eine Selektion hat für eine Praxis Konsequenzen zur Folge, die von einer Erhöhung der Factoringgebühr bis zur Kündigung der Zusammenarbeit reichen.

Die Factoringgebühren basieren auf einer Mischkalkulation, die das Abrechnen aller Fälle zugrunde legen. Ähnlich wie beim Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung, wo die Gesunden für die Kranken mitbezahlen. Nur mit den Kranken alleine lassen sich die Kosten nicht decken. 

Worauf sollten Sie achten?

Vor Vertragsabschluss sollten Sie zwingend die Vertragsbedingungen lesen. Hier vor allem die Handhabung von Forderungsausfällen, ob und unter welchen Voraussetzungen Ihnen diese nicht rückbelastet werden.

Sie sollten prüfen, ob Bonitätsanfragen in der Factoringgebühr enthalten sind oder Ihnen zusätzlich zur Factoringgebühr belastet werden.

In wie weit Sie sich dazu entscheiden, „sichere Gelder“ der gesetzlichen Krankenversicherung an einen Factor zu verkaufen, hängt von der individuellen Situation der Praxis ab. Sie sollten sich die Frage stellen, ob Sie die Zeit bis zur Auszahlung über die KZV überbrücken und damit in diesem Bereich auf einen Factor verzichten können oder wie sich die Factoringgebühr positiv für Sie auswirkt, wenn Sie diesen Bereich durch den Factor vorfinanzieren lassen.

Holen Sie sich mehrere, aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht mehr als 3 Angebote ein und entscheiden dann.

Fazit

Nicht zuletzt durch die Flexibilität von Factoring und seine Kosteneffizienz verzeichnete diese Form der Zusatzfinanzierung in den letzten 10 Jahren starke Zuwächse. Je nach Situation einer Praxis können die erzielten Kosteneinsparungen auch deutlich über den Kosten für Factoring liegen. Aus diesen Gründen eignet sich Factoring nicht nur in der Anfangs- und Wachstumsphase einer Praxis, sondern auch bei Insolvenz und Restrukturierung.

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