Die moderne Zahnmedizin entwickelt sich kontinuierlich weiter: Digitale Workflows, innovative Technologien und patientenindividuelle Behandlungskonzepte gehören in vielen Zahnarztpraxen längst zum Alltag. Die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) hingegen stammt in ihrer derzeit gültigen Form aus dem Jahr 2012 – und bildet diese Entwicklung nicht mehr vollständig ab.
Warum braucht es die Analogberechnung?
Die GOZ enthält einen festen Leistungskatalog. Doch seit der letzten Novellierung hat sich das Behandlungsspektrum erheblich erweitert – viele Leistungen sind schlicht nicht in der GOZ enthalten. Um auf diese Lücke zu reagieren, hat der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 1 GOZ eine Regelung zur Analogberechnung geschaffen.
Diese Vorschrift erlaubt es, medizinisch notwendige, selbstständige Leistungen, die nicht in der GOZ oder GOÄ enthalten sind, nach einer vergleichbaren GOZ-Leistung abzurechnen.
Gesetzliche Grundlage:
„Selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, können entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses dieser Verordnung berechnet werden. Sofern auch eine nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertige Leistung im Gebührenverzeichnis dieser Verordnung nicht enthalten ist, kann die selbständige zahnärztliche Leistung entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung der in Absatz 2 genannten Leistungen des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte berechnet werden.“ (§ 6 Abs. 1 GOZ)
Was ist eine Analogberechnung – und wann ist sie erlaubt?
Die Analogberechnung ist kein Lückenfüller, sondern ein gesetzlich legitimiertes Abrechnungsinstrument.
Damit eine Leistung analog berechnet werden darf, müssen alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
- Eigenständige Leistung:
- Sie ist nicht Bestandteil einer übergeordneten Leistung, sondern steht für sich.
- Nicht im Leistungsverzeichnis enthalten:
- Die Leistung ist weder in der GOZ noch in der GOÄ abgebildet – auch nicht sinngemäss.
- Vergleichbarkeit:
- Die gewählte GOZ-Position muss in Art, Kosten- und Zeitaufwand vergleichbar sein.
- Korrekte Kennzeichnung auf der Rechnung:
- Mit dem Vermerk „analog gemäss § 6 Abs. 1 GOZ“ und Angabe der vergleichbaren Gebührenziffer, ergänzt mit dem Buchstaben „a“ für analog (z. B. 4070a).
Herausforderungen aus dem Praxisalltag
Trotz der klaren gesetzlichen Grundlage tun sich viele Zahnarztpraxen schwer mit der praktischen Umsetzung der Analogberechnung. Typische Probleme sind:
Unsicherheit bei der Wahl der passenden Grundleistung
Viele Zahnärzte fühlen sich hilflos bei der Entscheidung, welche GOZ-Ziffer sie als Grundlage für die analoge Berechnung wählen sollen. Hierzu gibt es keine offizielle Liste – die Entscheidung obliegt der Praxis, sofern sie begründbar und nachvollziehbar ist.
Wichtig: Auch wenn private Krankenversicherungen versuchen, die „aus ihrer Sicht passende“ Analogposition vorzugeben – die Auswahl obliegt ausschliesslich dem Zahnarzt.
Wirtschaftlichkeit berücksichtigen
Entscheidend ist nicht nur die inhaltliche Vergleichbarkeit – sondern auch die Wirtschaftlichkeit.
Für eine fundierte Analogberechnung ist es unerlässlich, den betriebseigenen Stundensatz zu kennen. Nur so lässt sich beurteilen, ob eine analoge Leistung kostendeckend oder gar rentabel ist.
Tipp: Rechnen Sie regelmässig den betriebswirtschaftlichen Stundensatz in Ihrer Praxis und setzen Sie diesen in Relation zum tatsächlichen Zeitaufwand der Leistung, um die Analogleistung angemessen zu wählen.
Erstattungsrisiko bei privaten Krankenversicherungen
Ein häufiger Stolperstein ist die Kommunikation mit Patienten. Private Krankenversicherungen sind nicht verpflichtet, Analogleistungen zu erstatten – selbst wenn sie korrekt berechnet wurden. Viele Patienten erhalten nur einen Teil, die Erstattung der vom Krankenversicherer „empfohlenen“ Grundleistung für die Analogberechnung oder gar keine Erstattung.
Private Krankenversicherungen sind grundsätzlich zur Erstattung medizinisch notwendiger Heilbehandlungen verpflichtet – allerdings nur im Rahmen des Versicherungsvertrags. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich nicht im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) selbst, sondern in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der jeweiligen Tarife. Diese AVB orientieren sich meist an den Musterbedingungen des PKV-Verbands (MB/KK).
Wichtige Rechtsgrundlage: MB/KK 2009 – § 1 Abs. 2
„Versicherungsfähig sind nur solche Heilbehandlungen, die medizinisch notwendig sind und die anerkannt wissenschaftlich sind.“
Daraus leiten viele Versicherer ab, dass nur originär in der GOZ oder GOÄ enthaltene Leistungen als erstattungsfähig gelten, nicht aber Analogleistungen, wenn deren wissenschaftliche Notwendigkeit oder Akzeptanz (noch) umstritten ist.
Erstattungspflicht ja – aber mit Spielraum
Die PKV ist laut Vertrag zur Erstattung medizinisch notwendiger Leistungen verpflichtet. Eine korrekt analog berechnete Leistung nach § 6 Abs. 1 GOZ ist formal gesehen eine GOZ-konforme zahnärztliche Leistung. Dennoch kommt es regelmässig zu:
- Ablehnungen mit Hinweis auf „fehlende wissenschaftliche Anerkennung“
- Behauptungen, die gewählte Analogleistung sei „zu hoch angesetzt“ oder „nicht angemessen“
- Pauschale Vorgaben, welche GOZ-Ziffer stattdessen zu verwenden sei (rechtlich unzulässig!)
Wichtig: Der Versicherer hat keinen Einfluss auf die Auswahl der Analogziffer – das obliegt allein dem Zahnarzt (§ 6 Abs. 1 GOZ)
Daher gilt: Aufklärung ist Pflicht!
Die mündliche Aufklärung über eine analog abzurechnende Leistung und deren Dokumentation in der Patientenakte ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber rechtlich möglicherweise nicht aus, wenn es darum geht, Honorarkonflikten und Erstattungsschwierigkeiten wirksam vorzubeugen. Eine rein mündliche Aufklärung – selbst wenn sie in der Patientenakte dokumentiert wurde – bietet keinen belastbaren Schutz, wenn der Patient die Rechnung später beanstandet.
Zahnärzte sind verpflichtet, Patienten verständlich und umfassend über Art, Umfang, Risiken und Kosten der Behandlung aufzuklären. Dabei ist entscheidend: Der Patient muss vorab erkennen können, ob ihm durch eine Leistung Kosten entstehen, die nicht von der Versicherung übernommen werden.
Fazit: Struktur, Wirtschaftlichkeit und Patientenkommunikation sind der Schlüssel
Die Analogberechnung ist ein wichtiges Instrument, um moderne zahnärztliche Leistungen fair und wirtschaftlich abzurechnen. Sie verlangt jedoch:
- Fachliches Wissen
- Klar strukturierte Abrechnungsprozesse
- Sichere betriebswirtschaftliche Kalkulation
- Transparente Kommunikation mit Patienten
Die GOZ ist alt – Ihre Leistungen sind es nicht. Nutzen Sie Ihre Freiheit bei der Auswahl der analogen Ziffer – aber mit Struktur und System!
Wir unterstützen Sie gerne bei:
- der Auswahl passender Analogziffern
- der wirtschaftlichen Kalkulation auf Basis Ihres Stundensatzes
- der Dokumentation und Argumentation gegenüber Versicherern
- der Gestaltung von Aufklärungstexten für Patienten
- der Schulung Ihres Teams für nachhaltige GOZ-Abrechnung